· 

Eiflüsse der Kronländer und Königreiche

EINFLÜSSE DER KRONLÄNDER UND KÖNIGREICHE

Im 18. Jahrhundert hatte sich in der Wiener Küche ein Grundstock von Gerichten gebildet (Schmalzgebackenes, Eingemachtes, Köche, Strudel, gekochtes Rindfleisch, Pasteten, Puddinge, Suppen, zahlreiche Mehlspeisen; Braten in vornehmen Haushalten), auf dem die weitere Entwicklung der Kochkunst aufbaute. Mit dem 19. Jahrhundert und der ab 1850  intensiveren Kommunikation drangen immer mehr Gerichte aus Ungarn und den Kronländern in die Wiener Küche ein und begründeten deren Ruf, besonders abwechslungsreich, schmackhaft und nahrhaft zu sein. Allerdings sind die Speisen der Wiener Küche nicht so dickmachend wie ihr Ruf, selbst wenn man zu Rezepten aus alten Kochbüchern greift. Man darf nicht vergessen, dass die Gerichte der Wiener Küche in ihrer Hochblüte für zahlreiche in einem Haushalt lebende Personen zubereitet wurden, was auch die Qualität zahlreicher Speisen hob (Suppen, gekochtes Rindfleisch, Gulasch, Braten etc.). Heute wird in einem Haushalt meist nur für zwei bis vier Personen gekocht.

KAISERTUM ÖSTERREICH - ÖSTERREICHISCH-UNGARISCHE MONARCHIE 1815 BIS 1918

Der ursprüngliche Kern der Habsburgermonarchie war jenes Gebiet, das Graf Rudolf I. von Habsburg (1218-1291) konsolidieren konnte. Rudolf war der erste römisch-deutsche König aus dem Haus Habsburg und besaß neben den Herzogtümern Österreich und Steiermark auch Kärnten und Krain. Nach der Niederlage des böhmischen Königs Ottokar II. Premysl (um 1232-1278) in der Schlacht bei Dürnkrut auf dem Marchfeld 1278 trat Rudolf auch das Erbe der Babenberger in Böhmen an. Mit geschickter Hausmachts- und Heiratspolitik konnten die Habsburger (ab 1736 das Haus Habsburg-Lothringen) ihr Reich über große Teile Mittel- und Osteuropas ausdehnen. Auch Spanien gehörte bis 1711 zu den habsburgischen Besitzungen; die österreichischen Niederlande, die im spanischen Erbfolgekrieg an die Habsburgerfielen , gingen 1797 im Frieden von Capoformio verloren (die Gebiete umfassen heute ungefähr Belgien und Luxemburg). Mit ihrem vergößerten Territorium hatten die Habsburg-Lothringer großes politisches Gewicht und konnten mit nur einer Unterbrechung (1740-1743) stets den römisch-deutschen Kaiser – als oberste Funktionsträger im so genannten Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation – stellen. Die Belagerung Wiens durch die Osmanen unter Großwesir Kara Mustapha 1683 („Zweite Türkenbelagerung“) und die Erbfolgekriege unter Kaiserin Maria Theresia (1717-1780) bedrohten die Besitzungen der Habsburger, die nun auch Fürstentümer in Italien (Toskana, Lombardei, Modena) besaßen. Auch die Franzosenkriege und die Herrschaft Napoleons (1769-1821) gefährdeten die Herrschaft der Habsburger massiv. Kaiser Franz II. (ab 1804 Franz I. von Österreich; 1768-1835) legte nach Napoleons Besteigung des französischen Kaiserthrons (1804) die römische Kaiserwürde nieder und gründete 1804 das österreichische Erbkaisertum (1804 bis 1806 amtierte er als einziger „Doppelkaiser“ der Weltgeschichte). Im Laufe des 19. Jahrhunderts ging der Großteil der italienischen Besitzungen für das Haus Habsburg verloren, nach der Niederlage gegen Preußen in der Schlacht von Königgrätz 1866 ebenso Teile Schlesiens. Dennoch blieb die Donaumonarchie, in der die Ungarn 1867 durch den Ausgleich größere Unabhängigkeit erlangten, bis 1918 die verfassungsmäßige Klammer für zahlreiche Nationen, die Wichtiges zur Wiener Küche beigetragen haben.

FRÜHSTÜCK

Die erste Mahlzeit des Tages nach dem durch die Nachtruhe bedingten Fasten (vgl. Englisch: breakfast) bestand über Jahrhunderte aus brei- und suppenartigen Gerichten, die je nach dem finanziellen Hintergrund des Haushalts mit weißem Gebäck oder schwarzem Brot genossen wurden. Die Breie waren meist auf Getreide- oder Mehlbasis mit Milch gekocht; auch Bier-, Milch-, Obers- und Weinsuppen wurden gegessen. In den Skizzen von Wien ist 1787 noch vom Biersuppen-Frühstück die Rede.

Erst im 18. Jahrhundert, als sich bei Hof und Adel die neuen Luxusgetränke Tee, Kaffee und Schokolade durchsetzten, änderten sich die Frühstücksgewohnheiten: Jene, die es sich leisten konnten, genossen nun auch diese neuen Getränke und weißes Gebäck. Doch selbst Kaiserin Maria Theresia verordnete ihren Kindern immer noch drei Mal pro Woche Suppen zum Frühstück, um sie nicht zu sehr zu verwöhnen. In manchen ländlichen Gebieten Österreichs war die Frühstückssuppe bis in die 1930er Jahre üblich.

Generell unterscheidet man in Wien zwischen einfachem und vollständigem Frühstück. Das Einfache besteht aus Tee, Kaffee, Schokolade oder Kakao mit weißem Gebäck ohne Butter. Beim kompletten Frühstück kommen noch Butter, Honig und Marmelade dazu. Auch ein weiches Ei kann dabei sein. Im Lauf der Zeit entstand in vielen Haushalten die Gewohnheit, zum Frühstück Gugelhupf, Golatschen, Plundergebäck und diverse Kuchen zu essen.

WIENER BROT UND WEISSGEBÄCK

Das „Wiener Gebäck“ hat im Ausland einen guten Ruf und ist bereits zu einem typischen Begriff geworden, schrieben Hubert Kaut und Ludwig Sackmauer 1967. Doch die Wiener pechken fanden bereits 1227 Anerkennung. Sie brachten Herzog Leopold VI. (1176-1230) am Weihnachtstag kipf und wize flecken, die weißer als Hermelin und Schnee gewesen sein sollen.

Im selben Jahr wurde die Bäckerinnung gegründet. Das Wiener Gebäck unterschied sich von den Erzeugnissen der Bäcker in anderen Großstädten durch seine Sortenvielfalt. Schon im 13. Jahrhundert wurden die Wiener Bäcker nach der Art ihrer Produkte in Brot-, Semmel- und Luxusbäcker eingeteilt. Verbacken wurden Weizen-, Roggen- und Dinkelmehl. Am Graben gab es im Mittelalter ein Brothaus; auch die Bäckerstraße erinnert noch an ihre ursprüngliche Funktion. Doch die Bäcker konnten mit ihren Backhäusern den Bedarf nicht decken; so entstanden am Hohen Markt, am Hof und am Graben zusätzliche Brottische oder Brotbänke (ähnlich den Fleischbänken), an denen Brotsitzerinnen das Gebäck verkauften.

DIE GALANTEN, BRAVEN BÄCKEN

Neben Brot, Semmeln und Wecken gehörten zum Repertoire eines Wiener Bäckers im Mittelalter Kipfel aus Weizenmehl, tellergroße Flecken, Beugel, das eyerne gebächt (ein Vorläufer des Brioche Gebäck) und Mürbteig Gebäck. Wie die frühe Semmel bis ins 18. Jahrhundert ausgesehen hat, ist nicht bekannt. Vermutlich war sie nur ein rundes, glattes Gebäck – in Dokumenten werden Rundsemmeln und ordinari Semmeln erwähnt. Doch im Jahr 1760 liegen bereits fünffach eingekerbte Semmeln auf der Hochzeitstafel des späteren Kaisers Joseph II. (1741-1790) und Isabellas von Parma (1741-1763) – gemalt von Martin van Meytens (1695-1770). Und um 1810 hört man, dass alle Wiener Lebensmittel und jene aus der Wiener Umgebung vortrefflich seien: „Das Badener Brod, besonders die Kipfel oder Milchbrot, gilt selbst den Wienern für eine Delikatesse.“ Auch Gebäck aus Mödling wurde in Wien sehr geschätzt.

TECHNISIERUNG

Bereits in den 1870er Jahren hielt die Technik in den Backstuben mehr und mehr Einzug. Neben Teigknetmaschinen gab es große Streichtische, Mischmaschinen, Mehlsiebmaschinen, Teigteilmaschinen, Semmelmühlen (für die Brösel) und Semmelwirkmaschinen. Damit konnte man der Forderung nach Arbeitszeitverringerung für die Bäckereien nachkommen. Patentwirkapparate, Mohnmühlen, Erdäpfelpressen und Apfelschälmaschinen erleichterten die Arbeit der Bäcker und ihrer Mitarbeiter ebenfalls ein wenig. Dennoch blieb die Arbeit des Bäckers aufwendig. Wollten doch die Wiener gerade am Wochenende – Samstag und Sonntag – sowie an Feiertagen nicht auf frisches Gebäck zum Frühstück verzichten.

VON SCHIENBEINDLN UND SCHIRAFFERLN

Die Semmelbäcker stellten verschiedene Gebäcke, u.a. die feinere Rundsemmel, die glatte, nicht gewirkte Doppelsemmel, die große und kleine Gschrade, die der Länge nach ein- oder viermal gespalten waren (aus geschrotetem Mehl für die unteren Schichten), die große und kleine Mundsemmel, die Paarsemmel (Parl, gewirkte Doppelsemmel), das Mundlaberl (später Schusterlaberl, ein einmal eingekerbtes Weckerl), das lange und kurze Weckerl, der Mexikaner (ein zwei Mal schräg gerissenes Weckerl), das geflochtene Mohnstriezerl (auch Mohnflesserl genannt), den Salzflecken (später Salzstangerl), das Baunzerl(Doppelsemmel mit flachem Rücken und Kerbe), Zipfwecken, Vierzipferl, Prager Spitz, mürbes Kipferl und Schirafferl (mürbe Schnecke). 
Als Schienbandl oder Schienbeindl bezeichnete man um 1900 ein längliches Gebäck in Zylinderform. Auch Aniskipfel waren sehr beliebt.

KAISERSEMMEL UND MUNDGEBÄCK

„Sie ist das eigentliche Wiener Gebäck. Von Wien aus hat die Kaisersemmel den Siegeslauf durch die ganze Welt gehalten und heute gibt es kaum noch eine größere Stadt der Welt, wo die Wiener Kaisersemmel nicht anzutreffen wäre. Es gibt auch keine Gebäcksorte, die bei der Erzeugung eine solche Aufmersamkeit erfordern würde, wie die Kaisersemmel.“ Im Jahr 1933 war die Kaisersemmel noch immer fixer Bestandteil des Repertoires der Wiener Bäcker. Gebäck aus sogenanntem Kaiserteig darf kein Wasser, sondern nur Milch enthalten; „es muß in ausgebackenem Zustande, abgesehen von dem entsprechenden Geschmack, eine schöne gelbbraune Farbe besitzen, muß rösch und knusperig, aber trotzdem nicht hart sein“. – Alle diese Anforderungen stellte man noch 1934 an die Wiener Kaisersemmel. Aufgrund der hohen Qualität wurde die Kaisersemmel auch zum unabdingbaren Begleiter von Wiener Saftgulasch und ungarischem Gulasch.

Eine Besonderheit brachte der k.k. privilegierte Kaiserbretzen-, Luxus-, Weiß- und Schwarzbäcker Eduard Wunderlich auf den Markt – die Kaiserbretzen. Angeblich hatte Kaiserin Elisabeth dieses Gebäck einmal im Prater verkostet und war davon so begeistert, dass Wunderlich es zweimal täglich an den Wiener Hof liefern musste – wie er in einer Anzeige im Jahr 1882 seinem Publikum mitteilte. Die Behauptung ist nicht ganz aus der Luft gegriffen, denn die Bürger der Monarchie liebten Bretzel aller Art sowie Käsegebäck.

„Die in Wien in der Vorkriegszeit üblich gewesene Mundsemmel, Mundwecken, Mohn- und Salzstriezel aus Mundteig gibt es wohl heute nicht oder höchst selten mehr. Teils sind diese Gebäckssorten verschwunden, teils werden sie, so weit sie noch bestehen, aus Kaiserteig erzeugt.“ Man sieht, dass bereits in der Zwischenkriegszeit Gebäcksorten verschwanden, um die Produktion zu vereinfachen. Dieselbe Klage gab es auch um das Jahr 1910, als der Konsum von Mundgebäck zurückging; Kaisersemmel und Luxusgebäck (Brioche und Butterteig) erhielten damals immer mehr Zuspruch.

FEINGEBÄCK UND ANDERE PRODUKTE

Die Wiener Bäcker waren und sind berechtigt, Feingebäcke herzustellen. Dazu zählen Briochestriezel, Briochekipferln, Briochestangerln, diverse Zwiebacksorten (Vanille, Zimt, Reichenauer, Pressburger, Damen, Grazer und Kinder), Milchbrot, Kletzenbrot, Plundergebäck (Strudel, Butterkipfel, Schnecken, Golatschen etc.), Patiencegebäck, Erdäpfelbrot, Gugelhupf sowie Schnittwecken und Schnittlaibchen. Auch Bretzel – bis in die 1920er Jahre gab es in Wien noch eigene Bretzelbäcker – werden in Bäckereien erzeugt; man unterscheidet Bretzel mit Germ (Laugenbretzel) und solche ohne Germ.

Bei Milchbrot und Strietzeln ist nur die Verwendung von Vollmilch, bestem Fett, Eiern und Zucker erlaubt. Schon in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts waren die Kunden davon so verwöhnt, dass sie Kaisersemmeln für das Frühstück ablehnten und an Sonn- und Feiertagen Milchbrot und Striezel zum Frühstück vorzogen.

Zu den Wiener Spezialitäten gehören auch Faschingskrapfen, feine Buchteln, feine Topfengolatschen (Germteig), Nuss- oder Mohnstollen, Obstgolatschen (Germteig); Klosterkipfel (Germteig), Schnecken, Schinkenkipferln, Gugelhupf, Kranzkuchen (Mürb- oder Plunderteig mit zerlassener Butter, Zimtzucker und Rosinen gefüllt), Nuss- und Mohnstrudel (Mürbteig), Osterflecken, Nuss- und Mohnbeugel (Germteig).

DAS WIENER BROT

„Von Brot wird nun verlangt, daß es saftig, wohlschmeckend und kleinporig sei. Brot, das strohig schmeckt, und solches, das rasch altbacken wird, weist das Publikum zurück. Kornbrot wird dem Weizenbrot vorgezogen, denn ersteres weist den typischen Korn (Roggen) Geschmack auf, ist saftiger (feuchter), hält sich im allgemeinen länger frisch und ist auch gleichmäßig feinporig.“ – Nicht nur beim Weiß Gebäck war der Wiener wählerisch; das Brot war seit dem 11. Jahrhundert das wichtigste Nahrungsmittel. Bis ins 15. Jahrhundert standen Brottische am Hohen Markt. Während Adelige und Wohlhabende Semmeln aßen, gab es für die Bürger Stadt Brot oder Bürger Brot aus weniger feinem Mehl. Kleien-, Gersten- und Roggenbrot war für ärmere Schichten und Bauern.

Das später allgemeiner werdende dunkle Brot, ein ausgezeichnetes Produkt ohne viel Fremd Geschmack – meist nur mit Kümmel, manchmal auch mit Fenchel gewürzt –, war/ist der ideale Begleiter zu saurer Wurst und kalten Braten und die beste Unterlage für köstliche Heurigen Aufstriche, vor allem für den echten Liptauer, und für Butter und Käse. Neben dem dunklen Brot gab es noch das hellere Schweizer Brot, das auch für Magen- und Leberkranke geeignet war. Molke Brot (Kaiserdampfel mit Molke), das lange Zeit in Wien sehr beliebt war, wurde bereits in den 1930 er Jahren nicht mehr gebacken. Die Wiener Bäcker boten auch Grahambrot an, ein Diät Brot, das der amerikanische Prediger Sylvester Graham (1794-1851), ein Verfechter der vegetarischen Reformdiät, entwickelt hatte. Es wird aus grob zerkleinertem Korn ohne Gärmittel hergestellt.

Die Vielfalt an dunklem Brot und Gebäck bringt zwar geschmackliche Erlebnisse, macht die Produkte aber eher zu selbständigen Bissen, die nicht immer als Beilage passen. So ist Gulasch, das mit einem mit zahlreichen Körnern bestreuten Korn spitz gegessen wird, nicht so schmackhaft wie mit einer knusprigen Kaisersemmel, die man in den köstlichen Saft „einbröckeln“ kann.

DER „JOUR“ IN DER „ERSTEN“ UND „ZWEITEN“ WIENER GESELLSCHAFT

Als erste Wiener Gesellschaft galten die Adeligen. Ab dem Ende des 18. Jahrhunderts gesellte sich die sogenannte zweite Gesellschaft dazu, die sich aus reichen jüdischen Bankiers und Handelsleuten zusammensetzte; später kamen noch die – manchmal geadelten – Industriellen und Großbürger dazu. Die Damen des Hauses luden ein oder zwei Mal pro Woche am Nachmittag gebildete, berühmte Personen aus den eigenen Kreisen oder aus dem Künstlermilieu ein. Dabei gab es immer einen Imbiss, der aus süßen und pikanten kleinen Speisen bestand. Für die pikanten Speisen erzeugten die Wiener Bäcker das sogenannte Jourgebäck, das viel kleiner als gewöhnliches Gebäck war; zu den Jourfavoriten zählten Semmeln, Salzstangerln, Bosniaken (ein etwas dunkleres, ovales Gebäck, auch Hadscheluja genannt – sie kamen nach dem 1. Weltkrieg als Ersatz der Semmeln auf und gelten heute als Vorläufer des Vollkorngebäcks), kleine Salzbrioche (zur Gansleber) und Mohnstriezel. Meist gab es an diesen Nachmittagen Tee, aber auch andere Getränke. Der Name Jour bürgerte sich ein, weil diese Treffen immer an denselben Wochentagen stattfanden.

GROßER ABSATZ

Das Wiener Gebäck, das neben Brot insbesondere als Weiß Gebäck bekannt ist, musste raschen Absatz finden, denn es hielt sich nicht lange. Angeboten wurde das Gebäck von den Wiener Gasthöfen, Leitgeben und Stadt Köchen, von denen es im Jahr 1563 insgesamt bereits rund 120 gab. Und die Anzahl der Wein-, Bier- und Gasthäuser stieg in Wien ständig an. Sie brauchten für ihre Imbisse und Mahlzeiten immer frisches Gebäck. Plunderkipferln, Bosniaken, Wachauer Laberln, Gschradi, Schusterlaberln, Kartoffel-, Kümmel- und Patentweckerln (wie glatte Weckerln, Kaiserdampfel mit etwas Fett) und Engländer (aus Mürbteig, eng gerollt) bevölkerten damals die Regale der Bäcker und trugen zu deren Umsatz bei.

Die am wenigsten haltbaren Semmeln hatten einen wesentlichen Anteil an Spezialitäten der Wiener Küche: Sie lieferten die Brösel für das Wiener Schnitzel und andere panierte und ausgebackene Speisen, die Butter Brösel bei den Obst Knödeln und die Semmel Würfel für Semmel- und Servietten Knödel. Wiener Saft Gulasch, ungarisches Gulasch, Gulaschsuppe und Frankfurter Würstel förderten den Absatz der Kaisersemmel. – Noch im Jahr 1934 hieß es: „Nicht ohne Grund ist das Wiener Gebäck weltberühmt. Kein Volk stellt an die Qualität der Bäckerei Erzeugnisse so hohe Anforderungen, wie die Wiener. Schon das einfachste Gebäck muß Qualitätsware sein ...“.

Selbst 1981 war die Auswahl an Weiß Gebäck noch recht groß – neben der Kaisersemmel, dem Salz Stangerl, dem Mohn Striezerl und den diversen Barches (jüdisches Weiß Gebäck, das am Sabbat abends verzehrt wird und das lange Zeit zum traditionellen Wiener Weiß Gebäck gezählt wurde), gab es in jeder Bäckerei mürbe Kipferln, mürbe Stangerln, Girafferln, glatte Weckerln, Sechser Striezel, Vierer Striezel und den Knopf. Die Barches sind geflochtenes Gebäck; man unterscheidet Knopf-, Zopf- und Schnecken Barches. Zopf Barches entsprechen der länglichen Urform des Gebäcks. Bei Mühlen Brot sind Barches bis heute erhältlich.

WIENER GEBÄCK HEUTE

Im 20. Jahrhundert wurden die Wiener Bäckereien weitgehend mit Maschinen ausgestattet. Handgefertigtes Gebäck wurde aus Kostengründen in den Hintergrund gedrängt. Die heute nicht mehr bekannten, aber lange Zeit sehr beliebten Bierstangerln entstanden erst in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Für ihre Herstellung wurde das Dampfl dem Teig der Kaisersemmel entnommen; unter Zugabe von Flüssigkeit, Salz und Fett wird mit Mehl ein sehr trockener Teig gemacht. Daraus formte man ganz dünne Stangeln von ca. 25 cm Länge, ließ sie gehen, bestrich sie mit Wasser und bestreute sie vor dem Backen mit ganz feinem Salz.

Heute sind nur mehr wenige Bäcker in der Lage, Handsemmeln herzustellen. Ende des 20. Jahrhunderts hat sich der Variantenreichtum des Wiener Weißgebäcks drastisch verringert. Hergestellt wird eine Vielzahl von dunklen Gebäcken, die mit Sesam, Kürkiskernen, Sonnenblumenkernen etc. bestreut sind; manche Aromate – wie Karotten – waren früher nicht denkbar. Oft werden nur noch Semmeln und Salzstangerln angeboten. Doch noch heute steht in jedem Wirtshaus das Körberl auf dem Tisch, denn der Wiener verspeist(e) zur Suppe gern eine Semmel oder ein Salzstangerl.

REZEPTE:

Badner Kipfl Ihrer Majestät (= Kaiserin Elisabeth)
Aus 4 Loth Germ, 2 Pfund Mehl und der nötigen Milch ein Dampfel machen. Mit ½ l Milch, 5 ganzen Eiern einen Teig machen. Das Dampfel einrühren und gehen lassen. Kipfl formen, mit Ei bestreichen und mit Grobzucker bestreuen. Langsam backen.

Kaiserbrezeln (Anna Bergmann 1924)
210 g Mehl, etwas Salz, etwas Zucker, 4 Dotter, 4 El zerlassene Butter, 20 g Germ, etwas Milch, etwas Zucker, gesponnener Zucker

Aus Mehl, Salz, Dottern, Butter, Germ, Milch und Zucker ein Dampfl machen und aufgehen lassen. Dann alles gut vermengen und abschlagen. Soviel Milch dazugeben, dass ein nicht zu weicher Teig entsteht. Daraus formt man Brezel, läßt sie aufgehen und kocht sie kurz in siedendem Wasser ab. Man nimmt sie aus dem Wasser, legt sie mit der unteren Seite auf ein Tuch, dann auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech. Langsam im Rohr backen und anschließend mit gesponnenem Zucker bestreuen.

GABELFRÜHSTÜCK

Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts kam in Paris eine kleine Mahlzeit am Vormittag in Mode, weil sich die Stunde der Hauptmahlzeit immer mehr auf den Nachmittag verschob. Da diese Zwischenmahlzeit meist nur mit einer Gabel verzehrt wurde, bürgerte sich die Bezeichnung déjeuner à la fourchette ein. In Paris gehörten zu diesem Gabelfrühstück kleine, feine und pikante Gerichte wie Pasteten, Galantinen, Schinken in Aspik, Austern, Sardellen, Gansleber und Mayonnaisegerichte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde das Gabelfrühstück in die Wiener Kochbücher als Delikatesse aus Frankreich übernommen. Kochbücher waren zu jener Zeit überaus teuer, daher nur für gehobene Schichten erschwinglich. Gabelfrühstückvorschläge lehnten sich an die Vorgaben aus Frankreich an, wenn auch schon wienerische Töne mitklangen.

Im Jahr 1885 gab August Mauer in seinem Wiener Kochbuch folgende Vorschläge für Gabelfrühstück:
Kalt
: Kalbskopf à la Vinaigrette, frische Butter mit Rettich, Hummergelee, Gesulztes Kalbshirn, Zitronencrème, Erdbeerkuchen, kleines Zuckerwerk.
Warm: klare Consommé, Rindskoteletten mit Karfiol, junge Wildenten mit Oliven, Butterteigpastete, Hammelfilet, Kümmelkuchen, kleine Beefsteaks, Makrelen vom Rost, Busserln, Erdbeeren mit Rotwein.

Auch Katharina Prato bot in ihrem Kochbuch 1898 mehrere feinere Versionen: klare Suppe in Tassen, kleine geräucherte, marinierte Fische mit gebratenen oder gekochten Eiern, Beefsteak mit Garnitur, Backwerk, Früchte, feine Käse sowie Gerstenschleimsuppe in Tassen, Geflügelbrüstchen oder Faschschnitzel mit Erbsen, gebratener Rehrücken, Eingesottene Johannis- oder Preiselbeeren. Louise Seleskowitz (1905) differenzierte in ihrem Kochbuch zwischen dem vornehmen und dem deftigen Gabelfrühstück. Zu ersterem zählte sie Fisch mit Sauce hollandaise, Bouillon, Aufschnitt, kaltes gebratenes Fleisch, Schöpsenschlögel mit Karfiol, Fisolen und Erdäpfeln, Backwerk, Obst und Nüsse. Mehr dem Wiener Gabelfrühstück entsprachen gekochtes Rindfleisch, diverse Gulasch Sorten, sauer gekochter Kalbskopf, Kalbs Ohr sowie Kalbs Zunge mit Kren und Wurzelwerk, Nieren, Hirn, Leber, Beuschel, Schweins Zunge, Frankfurter, Hasen junges mit Makkaroni, Sterz, geschmalzene Nudeln, Eierspeisen etc.

FRANKFURTER WÜRSTEL

Im Jahr 1845 schrieb Franz Gräffer: "Man darf sich also nicht wundern, wenn auf jenem Platze und den anderen Platzerl´n der Vorstädte Würste gebraten werden, deren Gebrause, Gesause, Geprassel, Gezisch eine gar angenehme Musik ist. Man nahm einen Sechs Pfenning, reichte ihn hin, - die Wurstbraterin nahm eine halbe Glatte - eine glatte Semmel, die ganz in der Form eine 8 ist - machte einen weiten Schnitt hinein, dann nahm sie eine große Leber- oder Blutwurst, wie man wollte, schob sie in die Öffnung der Semmel, goß etwas geschmolzenes Fett darauf, und bediente somit den Kunden." Fast Food ist also auch in Wien etwas Altes; das Produkt der Wurstbraterin erinnert an den Hot Dog aus Amerika, bei dem das Fett allerdings durch Ketchup ersetzt wurde. Doch in Wien hatten die Würste eine sehr lange Tradition. Marperger (1716) schrieb dazu in seinem Dictionarium: „Als Anno 1613 fast alle Prinzen aus dem Hause Österreich zu Wien vor dem Römischen Kayser Matthias erschienen, da stellte Aller höchst-ermeldete Kaiserliche Majestät denen selben zu Ehren, ehe sie wieder von einander gingen, ein herrliches Ritter-Spiel an, wobei unter anderen auch die Schlächter zu Wien ihre Person wohl zu spielen wussten. Sie präsentierten eine Bauren-Hochzeit bei welcher unter anderen erschienen zwanzig Männer, welche eine Wurst von 999 Ellen in der Länge trugen.“ – Eine Wiener Elle misst rund 77 Zentimeter.

WOHER KOMMEN DIE FRANKFURTER?

Die Fleischerfamilie Lahner, die bis 1966 in Wien ihren Betrieb führte, stammte aus Gasseldorf in Oberfranken. Der älteste Sohn einer Bauernfamilie, Johann Georg (1772-1845), erlernte das Fleischerhandwerk in Frankfurt/Main und ließ sich 1798 in Wien nieder. Hier gründete er 1804 eine eigene kleine Fleischselcherei, in der er angeblich im Mai 1805 erstmals seine Frankfurter Würstel anbot. Zur Herstellung der deutschen Original-Frankfurter wurden/werden nur Bauchfleisch (Schwein), Wammerl und Speck verwendet. Lahner entwickelte für die verwöhnten Wiener ein feineres Brät aus Schweine- und Rindfleisch. Das Brät wird in Schafsaitlinge gefüllt. Lahners letztes Geschäft war bis 1966 in der Kaiserstraße.

Nachdem in der Wiener Küche Gerichte aus Schaffleisch lange Zeit sehr geschätzt wurden, war die Hülle für die zarten Würstel reichlich vorhanden. Heute muss sie aus Schottland, dem Iran und dem arabischen Raum importiert werden. Die Saitlinge haben eine Länge von 22 cm bis 24 cm, angegeben wird die Länge in Hanks. Ein Paar Frankfurter hat rund 120 bis 140 Gramm; die Würstel sind um die 12 cm lang. Die Würstchen werden bei 75° Celsius abgekocht, im Kochwasser gekühlt und mild geräuchert.

DAS WIENER FAST FOOD

eben dem Wiener Schnitzel wurde international wohl keine Speise so bekannt wie die in Wien entwickelten Frankfurter, die zur Mahlzeit ärmerer Leute und von Studenten wurden. Meist mit Senf und/oder Kren und einer Semmel serviert, erhielt man sie bei den Würstelwägen (die Nachfahren der Wiener Bratelbrater, mobiler Garküchen, die vom 16. bis zum 18. Jahrhundert sehr beliebt und für die arme Bevölkerung von großer Bedeutung waren, weil die meisten Menschen als Bettgeher weder über eine eigene Wohnung noch über einen Herd verfügten), die entweder untertags oder in der Nacht ihre Köstlichkeiten anbieten durften. Erst in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden fixe Würstelstände in Wien erlaubt. Jedenfalls wurden die Würstel weltberühmt – allerdings unter dem Namen Wiener Würstchen nach der Stadt ihrer Herkunft. Der Konnex des Erfinders mit Frankfurt war den Importeuren bzw. Nachahmern nicht mehr bekannt.

DES KAISERS GABELFRÜHSTÜCK

Kaiser Franz Joseph speiste gelegentlich gern Frankfurter zum Gabelfrühstück, woraus der Schriftsteller Herzmanovsky-Orlando im Rout am Fliegenden Holländer eine Anekdote machte: „Sie Loschek, schaun Sie das linke Würstel da an, das Sattlige ... Das ist ... gute zwei Millimeter ... zu lang.“ – „Ja Majestät! 
Mir scheint auch. Soll ich ein andres Paarl servieren?“ – „Nein lassen Sie nur“, sagte der bescheidene Monarch und ergriff das appetitliche knackende Zehnuhrlabsal, das er ruckweise unter seinem soignierten Schnurrbart verschwinden ließ. Drauf der Kammerdiener: „Muss mich aber schon wundern. Wo doch der junge Weisshappel die allerhöchsten Frühstückswürstel eigenhändig spritzt. Natürlich in Uniform.“ – Drauf der Monarch: „Ja, derf er denn das?“ – Die Geschichte ist natürlich frei erfunden, aber den jungen Weisshappel gab es tatsächlich am Petersplatz; er war k.u.k. Hoffleischselcher und lieferte an die Hofküche. Erst 2009 schloss sein Ururenkel das Traditionsgeschäft.

DER CHAMPAGNER UNTER DEN WÜRSTELN

Die Frankfurter wurden in Wien als kleiner Imbiss oder Gabelfrühstück rasch populär. 
Um 1885 schrieb der Publizist Friedrich Schlögl (1821-1892): „Ich schreibe keine Reklame, sondern will nur eines Namens gedenken, der einer Familie angehört, welche die Zierde des Selchermetiers war und in ihren Erzeugnissen den Ruhm Wiens weit über die Grenzen des Reiches trug. Ich meine den größten Wurstkünstler jener Zeit, den braven und biederen Johann Lahner, an der Ecke der Alt-Lerchenfelder Hauptstraße, im Häuschen No. 56 Zu Mariahilf genannt, der in der Tat delikate Würstchen fabrizierte und dessen Name in Wien so populär war, wie Goethes Name in Weimar. Alles begehrte Lahner’sche Würstel.“

DER WIENER WÜRSTELSTAND

Erst um die Mitte der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts konnten es die Betreiber der Würstelwägen durchsetzen, dass sie ihre kleinen Imbisse auch tagsüber verkaufen durften. Seither ist für den Hunger zwischendurch, aber auch für eine ausgiebigere Mahlzeit immer der Tisch gedeckt. Zu den Frankfurtern gesellten sich die Debrecziner und Käsekrainer, auch Leberkäse wird angeboten. Die Würstel werden heute nicht nur in Wasser erhitzt, sondern auch gegrillt angeboten. Dazu gibt es statt warmem Fett Senf, Kren, Gurkerln und Pfefferoni. Auch das amerikanische Ketchup hat vor den Wiener Würstelständen nicht halt gemacht. Lahners Erfindung, seine Würstel als Einspänner in Blätterteig anzubieten, kam als Hot Dog in einem Bun wieder nach Wien zurück.

SACHERWÜRSTEL

Mit der Zeit entwickelten sich aus der Lahner-Schöpfung die Sacherwürstel – eine magenfüllende Portion von ca. 200 Gramm pro Paar; die Würstel sind rund 20 cm lang. Im Hotel Sacher werden sie in einer Silberkasserolle in heißem Wasser mit Senf, Kren und Semmeln serviert. Sie dienen als Stärkung vor oder nach einer längeren Opernaufführung und wurden – laut Auskünften aus der Gastronomie und von Fleischhauern – um 1978/80 entwickelt. Um dieselbe Zeit entstanden auch Cocktail- und Teewürstel. Doch werden bereits im Jahr 1931 Sacherwürstel in einem Wiener Fleischselcherhandbuch erwähnt.

Wie wurden die Würstel gegessen? Aus ihrer Anfangszeit gibt es keine Überlieferung dazu. Anekdoten schreiben einerseits der rührigen Fürstin Pauline Metternich (1836-1921) zu, die Würstel in einer Damenrunde herzhaft mit der Hand zum Mund geführt zu haben, nachdem lange diskutiert worden war, ob man die Haut abziehen oder die Würstel mit Messer und Gabel essen sollte. Überdies existiert eine weitere Legende mit Kaiser Franz Joseph: Als er die Würstel zum ersten Mal vorgesetzt bekam, soll er seinen Leibkammerdiener gefragt haben, wie man diese Würstel denn essen solle? – Die Antwort kam umgehend: „Mit der Hand, Majestät, mit der Hand!“ – Für diese Geschichten gibt es keine Belege, aber das Essen mit der Hand hat sich bis heute als praktisch erwiesen. Beim Sacher, wo die Würstel im heißen Wasser serviert werden, empfiehlt sich wohl die Verwendung eines Bestecks.

DER „HOT DOG“

Schon Francesco Casanova (1727-1803) und sein Bruder Giacomo (1725-1798) sahen und genossen etwas Ähnliches in Wien, nämlich eine in ein Stück Weißgebäck geschobene heiße Wurst. Casanova bildete sich und seinen Kutscher beim Genuss dieses Wiener Hot Dog ab. Allerdings war dies – im Vergleich zu den Frankfurtern – ein ziemlich üppiges Essen, denn die gebratenen Würste hatten noch nicht die Leichtigkeit und Flaumigkeit von Lahners Produkt, und das Wiener Gebäck war wesentlich deftiger als ein leichtes Bun.

Eine weitere Serviermethode der beliebten Würstel wurde angeblich um 1906 ebenfalls von Lahner in Wien entwickelt: Frankfurter im Schlafrock wurden in einer Butterteig/Blätterteig-Hülle angeboten. Vermutlich sahen die Amerikaner die Würstel erstmals 1893 auf der Weltausstellung in Chicago auf einem österreichischen Stand. Statistiken zufolge verzehrten die US-Bürger 1954 bereits 3.739.267.000 heiße Würstel. Als Hot Dog kamen die Frankfurter, die in den USA ungemein populär wurden, wieder nach Österreich zurück. In den USA wird das Würstel allerdings ohne Haut in einem Bun angeboten. Die österreichischen Würstelhersteller blieben im Trend, boten die Frankfurter in den 1950er Jahren ebenfalls ohne Haut an und erzeugten sie zu jener Zeit auch schon als Konserve.

DIE WIENER KÜCHE NIMMT SICH DER FRANKFURTER AN

Die Frankfurter blieben aber nicht nur eine kleine selbstständige Speise: 
Wie viele andere „Rohstoffe“ wurden sie mit der Zeit in die Wiener Küche übernommen. 
Man findet sie als Ingredienz von Kohlsuppe und als Einlage der Rumford-Suppe. Es gibt 
auch einen Frankfurter Braten – eine mit dem Kochlöffel zweimal durchbohrte Beiried, in 
die ein Paar Frankfurter geschoben wird. Das Ganze wird auf Wurzelwerk gebraten und 
mit Erbsennockerln serviert.

Im Lauf der Zeit wurden die Frankfurter Würstel immer vielseitiger verwendet. 
Man erkannte ihr feines Aroma, mit dem man viele Gerichte verbessern bzw. leicht würzen 
konnte. Sie finden sich als Einspänner gebraten auf dem Fiakergulasch und als Auflage beim Bauernschmaus. Man füllt sie mit Gurkerln und hartgekochten Eiern in den Stephaniebraten
Die Würstel verfeinern Wurstsalate, Erdäpfel- und Linsengulasch sowie Kohlsuppe. Selbst 
eine Frankfurter Suppe (Rindsuppe eingebrannt mit Muskat, Wurzelwerk, legiert mit Dotter) 
fand Eingang in die Wiener Kochbücher.

Die Wiener Küche bietet aber noch zwei besondere Spezialitäten mit den beliebten Würstchen an: Würstel mit Saft (ein Paar Frankfurter wird mit Rindsgulaschsaft und einer Semmel serviert), 
eine beliebte Gabelfrühstücksspeise in Wien, und Frankfurter Gulasch (in Scheiben 
geschnittene Würstel werden in Rindsgulaschsaft mit einer Garnitur aus feingehackten 
hartgekochten Eidottern und Semmeln serviert).

DIE FRANKFURTER HEUTE

Ein Tribut an die Beliebtheit sommerlicher Grillfeste sind die Berner Würstel: Frankfurter werden der Länge nach durchgeschnitten, mit (Emmentaler)Käse gefüllt und mit dünn geschnittenem Frühstücksspeck umwickelt. Den Namen Berner haben die Würstel in diesem Fall bloß vom Käse. Ebenfalls mit dem Grillen kam die Gewohnheit, Frankfurter zwischen Fleisch, Speck, Paprika und Zwiebeln auf die Hirtenspieße zu stecken. Dennoch wird die Ehre der Frankfurter auch heute noch bei den zahlreichen Wiener Würstelständen hochgehalten. Nach wie vor sind Frankfurter oder Sacherwürstel eine beliebte Ballspeise, die wenig Zeit in Anspruch nimmt.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0