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Einflüsse der Kronländer und Königreiche Teil2

MITTAGESSEN

Ein einfaches bürgerliches Mittagessen in Wien bestand immer aus Suppe, gekochtem Rindfleisch mit Erdäpfeln, diversen Soßen und/oder Gemüse, Braten mit Salat und Kompott (nur am Sonntag) und Mehlspeise. Warum Kompott zum Braten? Kompott gehörte ursprünglich zum Kapitel „Salate“, in dem stets süße und saure angeführt wurden.

Das Mittagessen war die Hauptmahlzeit der Wiener Bürger und wurde zwischen 12 und 13 Uhr eingenommen. Damit unterschied sich das Bürgertum deutlich von Hof und Adel; beide Gesellschaften nahmen das Dîner am späteren Nachmittag als Hauptmahlzeit ein und mittags höchstens ein kleines Déjeuner (z.B. Suppe und zwei Gerichte) oder ein Déjeuner à la fourchette (klare Fleischsuppe, feine Vorgerichte von Austern, Kaviar und Butter, Omeletten, gebratener Fisch, Beefsteaks und Koteletten mit Gemüsen oder Salat, Mehlspeisen, Dessert). Dafür gab es dann häufig das Souper, das nach dem Tee eingenommen wurde.

Der gemeinsame Mittagstisch war zur Zeit der Monarchie Beamten, Geschäftsleuten, Händlern und Handwerkern möglich, weil sie mittags heimgehen konnten oder ihren Arbeitsplatz nahe bei ihrem Wohnbereich hatten. Somit konnten sie täglich gemeinsam mit ihrer Familie speisen. Das gemeinsame Mittagessen hatte auch großes soziales Potential: Aufwendiges Essen bedeutete besondere Zuwendung der Frau an ihre Familie; zusammen essen war ein Teil der Kindererziehung: man vermittelte gutes Benehmen und entsprechenden Umgang mit den kostbaren Speisen.

BACK- UND BRATHUHN

Ich habe mir ein halbes Kapaundl so mir Freund Primus nachgebracht hat, herrlich schmecken lassen“, schrieb Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) im Oktober 1790 an seine in Baden zur Kur weilende Gemahlin Constanze. Der große Komponist schätzte Geflügel genauso in seinem Leben wie alles, was gut, echt und teuer war. Schon in seinem Elternhaus war Geflügel eine besonders beliebte Speise gewesen; die Häufigkeit, mit der die Familie sie sich leistete, lässt auf Wohlhabenheit schließen. Als Mozart von der schicksalhaften Reise nach Paris nach dem Tod seiner Mutter ohne Eile nach Hause zurückfuhr, schrieb ihm sein Vater Leopold (1719-1787) ungeduldig: „alles wünscht Dich hier zu sehen! ... die tresel, die Magd alle 13 Capaunen die sie für dich gekauft hat ... in der Tat warten schon Capaunen auf dich ...“. Vater Mozart wusste um die Lieblingsspeise seines Sohnes.

VON DER LUXUSSPEISE ZUM FAST FOOD

Zahmes Geflügel zählte lange Zeit zu den sogenannten Herrenspeisen, war aber auch Objekt der Begierde bürgerlicher und bäuerlicher Schichten. Bauern mussten Geflügel für die Tafeln der Grundherrschaft abliefern. Ihnen blieben höchstens alte Legehennen. Fette Kapaune und Poularden entsprachen „den raffinierten Geschmacksnuancen verwöhnter Gaumen des höfisch-aristokratischen Lebensgenusses. Das Huhn hat nicht nur eine Küchengeschichte – es hat sozusagen selbst Geschichte gemacht. Denn das Geflügel auf den Tischen des Bürgers und des Bauern symbolisiert deren Sieg über die Feudalherrschaft. Bis dahin stellte das Geflügel eine höfische Delikatesse dar. Auf den bäuerlichen Tisch kam ein Huhn nur dann, wenn die Henne oder der Bauer krank war.“ – Man darf sich daher nicht wundern, dass Ende des 18./Anfang des 19. Jahrhunderts, als Geflügel allmählich für breitere Kreise erschwinglich wurde und in Wien eine wahre Hendlmanie ausbrach.

Hühnerfleisch war von hoher Qualität und blieb lange Zeit, gebacken oder gebraten, ein feines Gericht für Sonn- und Feiertage. Der Wiener Meisterkoch Albert Kofranek schrieb noch 1950: „Das feinste und begehrteste Fleisch liefert uns das Geflügel.“ Als sich jedoch eine Restaurantkette auf Hühner Gerichte en gros spezialisierte und Massentierhaltung sowie Tierfabriken zwar die Preise senkten, aber die Qualität minderten und die Salmonellen Gefahr erhöhten, war es mit der Hendlseligkeit des Biedermeiermenschen und seiner Nachkommen endgültig vorbei. Daher ist beim Einkauf von Hühnerfleisch beste Qualität von größter Bedeutung, um einen guten Braten oder ein gutes Backhendel zu erzielen. Man hat sich daran gewöhnt, dass durch die Massentierhaltung Hühner eine sehr billige Speise sind, doch wird das Huhn artgerecht gehalten kann es heute genau so wertvoll für die Wiener sein wie um 1800.

VOM WIENER BACKHENDL

Das Panieren und Ausbacken hat in der Wiener Küche eine sehr lange Tradition. Fleisch wurde schon früh in Mehl getaucht und in heißem Fett heraus gebacken. Dadurch bleibt das Stück innen saftig. Im Nutzbaren Kochbuch von 1724 findet man folgendes Rezept: „Gebackene Hühner und Tauben. Wenn die Hühner und Tauben zergliedert sein soll man die Beinlein wohl zerklopfen und über Nacht in ziemlich gesalzenen Wasser legen darnach mit gutem Essig besprengen/und wieder ein weil liegen lassen/darnach in Mehl umkehren/und im Schmalz backen/und ein schön grün Petersil in ein heiß Schmalz werfen und gleich wieder heraus und darauf legen  bleibt schön grün.“

Wie beim Wiener Schnitzel waren sich die Kochbuchautoren lange nicht über die Zusammensetzung der Panier im Klaren. Im Jahr 1846 meint der Marianka (ein Wiener Kochbuch aus dem Jahr zu gebackenen Hendeln: „Die Hendeln werden geputzt, ausgewässert, und jedes in 4 Teile zerschnitten. Dann salzt man sie ein, wälzt sie in einem abgeschlagenen Ei, besäet sie mit fein geriebenen Semmelbrösel, bäckt sie schön langsam aus dem Schmalz, damit sie braun werden, und gibt sie auf eine Schüssel mit grünen in Schmalz aufgereschten Petersil darauf.“ – Das gebackene Petersil grün blieb (und bleibt bis heute in der guten Gastronomie) die klassische Garnitur des Backhuhns, später kamen Salate und Kompott dazu. Marie von Rokitansky bezeichnete in ihrem Kochbuch die Hühner in Anlehnung an das Wiener Schnitzel als Wiener Backhuhn und panierte sie mit Mehl/Ei/ Bröseln.

Anzumerken ist beim Backhuhn, dass es traditionell mit der Haut paniert und ausgebacken wurde. In und unter der Haut befindet sich Fett, das einerseits Geschmacksträger ist, andererseits die Backhühner nahrhafter und saftiger machte. In Kalorien- und Cholesterin bewussten Zeiten hat Fett einen anderen Stellenwert: Heute bietet man das Wiener Backhuhn meist ohne Haut sowie – der Bequemlichkeit halber  ausgelöst an.

EIN FAST VERGESSENES FESTTAGsESSEN – DAS WIENER BRATHUHN

Das Braten am Spieß gehört zu den ältesten Kochtechniken. Geflügel und Fleischteile größerer Tiere konnten so über offenem Feuer gegart werden. Meist wurden die Hühner mit einer Fülle auf Semmel Basis versehen, die mit Kräutern gewürzt wurde. Hagger (1719) führt in seinem Kochbuch gebratene, gefüllte Hühner und Kapaune an. Im 18. Jahrhundert gab man in die Fülle auch Austern, Muscheln, Krebse und Morcheln. Kapaundl mit Müscherln gehörte zu Mozarts Leibgerichten. Diese Füllungen sind heute mehr oder weniger vergessen. Meistens füllt man die Hühner mit einfacher Semmel fülle, die mit Salz, Pfeffer, geriebener Muskat Nuss und gehackter Petersilie verfeinert wird. Gelegentlich gibt man auch noch Hühnerleber mit hinein. Man serviert die Hühner tranchiert mit aufgeschnittener Fülle und dem Natursaft sowie mit Salaten, Reis, Risipisi und Kompott.

DIE STEIRISCHEN POULARDEN

Besonders beliebt waren und sind seit jeher die gemästeten steirischen Poularden und Kapauner. Qualitäts Geflügel kam aber auch aus Nieder- und Oberösterreich. Und obwohl Habs/Rosner in ihrem Appetit-Lexikon (1894) die Vielfalt der Zubereitungsmöglichkeiten von Poularde und Kapaun loben, ziehen sie doch den Hühner braten vom Spieß und das Wiener Backhendl allem anderen vor. Hühner blieben bis zum Wiener Kongress (1814/15) Luxus speise.

Im 5. Jahrhundert standen auf den Diebstahl von Hühnern hohe Strafen. Durch den weltweiten Handel der Phönizier gelangten Hühner bereits um 1000 vor Christus aus Asien an die Mittelmeerküsten. Schon unter Karl dem Großen (742-814) gab es Verordnungen für die Geflügelzucht. Bald zeichnete sich das Steirer Huhn unter den mitteleuropäischen Hühnerrassen aus. Vor allem die Kapauner waren wegen ihres geschmackvollen, saftigen und festen Fleisches berühmt und begehrt. Im 19. Jahrhundert boten die Kapaun-Fratschler in Wien die Tiere an; steirischer Kapaun und steirische Poularde fanden sich häufig als Braten auf den Tafeln der Habsburger. Ab 1880 waren die begehrten Kapaune auf der Tafel des Kaisers meist Sulmtaler.

DAS KAISERHUHN

Auch im Ausland wurde der steirische Kapaun wegen der besonderen Zartheit des Fleisches und seines Wohlgeschmacks sehr geschätzt. Mehrere hunderttausend Stück des Adels unter dem Geflügel wurden jährlich an europäische Fürstenhöfe verkauft.

Doch nicht nur das 20. Jahrhundert mit seinen Kriegen und Billigproduktionen setzten der Qualität der Hühner zu. Schon um 1900 war die europaweit geschätzte Qualität der steirischen Hühner schlechter geworden. Um das Alt Steirer Huhn wieder verstärkt in den Vordergrund zu rücken und andere Hühnerrassen von geringerer Qualität zurückzudrängen bemühte sich Armin Arbeiter ab 1900 um dieses steirische Traditionsgeflügel. Er sammelte die erhalten gebliebenen Hühner, züchtete sie und nannte sie Sulmtal Hendl.

Der Erste Weltkrieg brachte schwere Rückschläge in der Hühnerzucht, und die darauffolgenden Bemühungen ab 1925 wurden durch den Zweiten Weltkrieg zunichte gemacht. Die Hühner überlebten zwar in einer Zuchtanstalt, mussten aber auf Legeleistung gezüchtet werden. Ab 1945 gab es in der Umgebung von Stainz, Oisnitz, Preding und Wieselsdorf auf fast allen Bauernhöfen die prächtigen Sulmtaler. Doch zwölf Jahre später kam durch die industrielle Hühnerzucht der nächste Rückschlag; überdies verlor das Land Steiermark das Interesse an der Förderung dieser Naturrasse. Ab 2004 organisierte sich eine Züchtergruppe in der Steiermark, die die alte Rasse erhielt. Die Tiere sind heute unter den Bezeichnungen Sulmtaler HendlSulmtaler Kaiserhahn und Sulmtaler Kapaun registriert. Somit konnte ein Juwel der Wiener Hendlküche gerettet werden.

DAS FRUCHTBARE MARCHFELD

Nach der Entdeckung Amerikas kam der Kukuruz nach Europa und wurde auch im Marchfeld verstärkt angebaut, wo ebenfalls Kapaune gezüchtet wurden. Bereits 1790 und 1791 wurden Verordnungen erlassen, dass nur Kapäunlerinnen gerupfte Tiere verkaufen durften, während Ablöserinnen ihr Vieh mit Federn anbieten mussten. Damit wollte man verhindern, dass alles Geflügel als Kapaune ausgegeben wurde. In der Biedermeierzeit, der Wiener Back- und Brathendlepoche, brachten Bauern und Bewohner von Leopoldau, Kagran, Stadlau, Jedlesee, Breitenlee und Süßenbrunn gemästetes Geflügel auf die Wiener Märkte. Sogenannte Hendlkramer verkauften ihre Hühner lebend nach Wien.

RINDSUPPE

Jean Neugebauer schrieb in seinem Neuen Koch-Buch, das 1777 in Wien erschien, ganz klare Hinweise für eine gute Rindsuppe: „Wie man das Fleisch auf bürgerlich zum Feuer setzet: Um eine gute und klare Fleischsuppe zu sieden ... muss man beachten ... dass niemand nicht glauben darf, ein fettes Fleisch gibt eine kräftige Suppe ... Man muss allezeit trachten ein Fleisch von den hintern Vierteln“ zu verwenden. Neugebauer war seiner Zeit weit voraus – denn bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war fettes Fleisch geschätzter (und teurer) als mageres. Auch konnte man dem Wiener die Fettaugen auf der Rindsuppe nicht nehmen, die ihren Geschmack erhöhten. Ein solcher Genuss – echte Rindsuppe – ist heute in Österreich nicht mehr sehr häufig zu finden.

DER BESTE EINSTIEG ZU EINER MAHLZEIT 

„Die Rindsuppe dominiert in der Wiener Küche an erster Stelle und kommt ihr eine Bedeutung zu, wie dies in anderen Küchen kaum der Fall ist. Richtig gekocht, verdient sie auch die Wertschätzung und man soll sich an ihrer Pflege etwas angelegen sein lassen ... Sollte die Rindsuppe zu fett sein, schöpft man sie etwas ab, lässt aber so viel vom Eigenfett in der Suppe, um ihr die den Wienern besonders teuren Fettaugen zu erhalten“, befand die Ikone der Wiener Küche, Franz Ruhm (1896-1966), nach dem 2. Weltkrieg.

Im 18. Jahrhundert unterschied man bereits zwischen der klaren gewöhnlichen Rindsuppe und der braunen Suppe. Für die braune Suppe wurden Fleisch, Speck, Zwiebel etc. dunkel angeröstet und mit kochender Rindsuppe aufgegossen; danach kochte die Suppe noch zwei Stunden. Je nach Suppeneinlage wurde beim Auftragen zwischen klarer und brauner Rindsuppe variiert. Doch nicht alle hielten sehr viel von der Rindsuppe. Nach dem Zweiten Weltkrieg hieß es in einem Wiener Kochbuch: „Der Wert der Suppe, insbesondere der klaren Rindsuppe, wird vielfach überschätzt. Die klare Suppe hat bloß anregende, aber nicht nährende noch weniger sättigende Wirkung.“ In einer Zeit, in der die Menschen unterernährt waren und Kalorienmangel herrschte, ist dieser Standpunkt nicht von der Hand zu weisen. Allerdings ist die nahrhafte Wirkung der Rindsuppe oft einer deftigen Einlage zuzuschreiben.

VIELGELIEBT AUF BÜRGERTISCH UND HOFTAFEL

Am Habsburger Hof lässt sich die Gewohnheit, (Rind)Suppe zu essen, bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen (Kaiser Ferdinand I., 1503-1564). Beinahe hundert Jahre später wünschte Kaiser Leopold I. (1640-1705) bei seinen Mahlzeiten stets Suppen. Immer wieder musste für ihn Gerste, die in guter, fetter Rindsuppe gekocht worden war, serviert werden. Kaiser Karl VI. (1685-1740) wünschte, dass sein Tafelstück täglich wechseln sollte und „jederzeit ein frisches, gerechtes, gutes und kein untaugliches oder gar stünckendes Fleisch“ serviert werde. Die Liebe zur Rindsuppe blieb in der Familie Habsburg erhalten. Kaiserin Maria Theresia (1717-1780) löffelte sie ebenso gern wie ihr Enkel Kaiser Franz II. (I.; 1768-1835). Auch unter Kaiser Ferdinand I. (1793-1875) und seinem Neffen, Kaiser Franz Joseph I. (1830-1916) war Suppe weiterhin beliebt. Erst unter Österreichs letztem Kaiser Karl I. (1887-1922) scheint die Rindsuppe in den Hintergrund gerückt zu sein – was auch mit der mangelnden Lebensmittelversorgung im 1. Weltkrieg in Verbindung gebracht werden kann.

Seit dem Mittelalter erfreute sich die Rindsuppe auch am Bürgertisch höchster Beliebtheit. Beim Kauf des – preisregulierten– Rindfleisches gab es eine Zuwaage, oft Knochen, und damit einen Garanten für das Gelingen einer guten Suppe. Mit der Übernahme von Mehlspeisen der Fasten- und Fleischtage en miniature als Suppeneinlage wurde der Genuss der Rindsuppe niemals langweilig; überdies wurde die Rindsuppe außer an Fasttagen täglich frisch gekocht.

DIE MEHLSPEIS’ IN DER RINDSUPPE

Schon 1740 gab es Kaisergerstel und Griesschöberl für die Suppe. Um 1815 hieß es: „Heut hat die Kathi was feines gekocht: Hirn-Ei Strudel in die Suppe. Da reiben’s ein beissbar Semmel gut ab, weichen s’ in die Milch ein mit ein ganzen Kälberhirn. Dann wird alles passirt und man lasst es in ein Pfand´l dünsten und treibt´s flaumig ab. Mit Eidotter vermengt und gut Salz und Pfeffer dazu ... man füllt es in Strudel.“

Hand in Hand mit dem Abwechslungsreichtum der Mehlspeisen in der Wiener Küche entwickelten sich zahllose Suppeneinlagen. Schon im Granatapfel (1741) findet sich die Kaisergerste, die in Dunst gekocht wurde. Bei Jean Neugebauer (1777) sind die Suppeneinlagen noch recht beschränkt: Er kennt Fleischknödel, Semmelknödel und diverse Nockerln. Im Bewehrten Koch-Buch, das in Wien um 1768 erschien, gibt es bereits Leberknödel, Speckknödel, Grießknödel, Lumpenstrudel [Lungenstrudel] und Schlick Krapferl. Anna Maria Rudisch bietet der Hausfrau 1789 Hirneuterl [eigentlich Kroketten, die an die Form des Kuheuters erinnern = kleine Würstchen], Hirnwandeln, Obersschöberl, Kaisergerstel, Eiergröstel mit Champignons, gebackene Semmelknödel, Markknödel, Leberpfanzel und kälbernen Igel[Kalbsfaschiertes mit Ei, geweichter Semmel und Gewürzen vermischt, in Serviette gebunden und in Suppe gekocht].

365 TAGE IM JAHR – 365 MAL RINDSUPPE

Ab dem Anfang des 19. Jahrhunderts fanden diverse Suppeneinlagen immer mehr Aufnahme in die Wiener Küche. Dazu ein paar Beispiele: abgebrannte Grießknödel, Backerbsen, Bauernknödel, Biskuitschöberl, Brandteigkrapferln, böhmische Knödel, Bröselknödel, Butternockerln, Champignonschöberl, Eierstich, Eierwandel, Erbsenconsommé, Erdäpfelknödel, Fleischknödel, Fleischstrudel, Frittaten, Gemüseschöberl, Grießgerstel, Grießnockerl, Grießstrudel, Hirnpofesen, Hirnpudding, Kaiserconsommé, Kaiserdunstkoch, Kaisereier, Kaisernockerln, Kaiserschöberl, Kaiserwandel, Krebswandel, Leberknödel, Leberreis, Lungenstrudel, Markknödel, Mehlnockerln, Milzschnitten, Nudeln, Parmesanreis, Profiteroles, Reibgerstel, Schinkenknödel, Schlickkrapferl, Semmelcroûtons, Semmelschöberl, Speckstrudel, Tapioka, Tiroler Knödel, Wiener Knödel. Damit ist die Liste der Wiener Suppeneinlagen aber noch lange nicht erschöpft. Dazu meinte Franz Maier-Bruck in seinem Sacherkochbuch (1975): „Gerade mit diesen Suppeneinlagen wird die österreichische Küche am österreichischsten, oder – bei der Küche mag diese Steigerung erlaubt sein – am wienerischsten.“ Selbst Auguste Escoffier (1846-1935), der in der französischen Küche Maßstäbe setzte, räumt der Leberknödelsuppe in seinem Kochkunstführer (1920) Raum ein.

Manche Köche im alten Wien rühmten sich, 365 Suppeneinlagen für die Rindsuppe parat zu haben; doch die 150 Fasttage enthoben die Köche dieser Mühe. In der Fastenzeit durfte aber keine Rindsuppe serviert bzw. gegessen werden. In Wien gab es ab der Mitte des 19. Jahrhunderts auch eine Besonderheit: die sogenannten Suppenserviertassen. Diese Tassen waren aus Silber, versilbertem Metall, Blech oder Steingut – je nach Budget des Gasthauses oder Restaurants. Aus den mit Henkeln versehenen Tassen wurde die Rindsuppe mit Einlage in die bereits eingedeckten Suppenteller geleert. Suppenserviertassen waren noch bis in die 1960er Jahre üblich, werden heute aber nicht mehr verwendet, und Suppenteller werden nicht mehr eingedeckt. Dies zeigt, dass die (Rind)Suppe ihren Status als Einleitung einer Wiener Mahlzeit verloren hat.

DIE SUPPENKONSERVE

Da der Wiener auch auf Reisen nicht auf seine geliebte Suppe verzichten wollte, überlegte man sich praktische Alternativen. Bereits 1845 publizierte Anna Dorn in ihrem Wiener Universalkochbuch ein Rezept für Suppenzelteln auf Reisen: „Eine sehr kräftige Suppe wird so lange gekocht, bis die Flüssigkeit vollständig verdunstet und nur noch ein Extrakt zurückbleibt. Dieser wird getrocknet und ergibt mit heißem Wasser eine kräftige Suppe.“ Anna Dorn war nicht die erste mit einer solchen Lösung – im Grätzerischen Kochbuch von 1818 gibt es ein ganz ähnliches Rezept.

DAS ENDE DER RINDSUPPE?

Die Kriege am Anfang und im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts sowie die beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert förderten die Entwicklung von Konserven sowie von Trockensuppen. Rindsuppe wurde nun – im besten Fall – als Liebig’s Fleischextrakt, sonst v.a. als diverse Suppenwürfel angeboten. Trotz aller Anstrengungen der Konservierungsspezialisten war dadurch kräftige, frische Rindsuppe nicht zu ersetzen. Die anfänglich notwendigen Ersatzmittel wurden rasch Gewohnheit und blieben nach dem Ende der Hungerjahre erhalten – schließlich sind Würfelsuppen viel bequemer, arbeitssparender und kostengünstiger als richtig zubereitete Rindsuppe. Auch der Einlagenreichtum hat einiges an Vielfalt eingebüßt: Neben Nudel-, Grießnockerl-, Leberknödel-, Backerbsen- und Frittatensuppe erhält man heute kaum noch Fleisch- oder Lungenstrudel, Milzschnitten, Kaiserschöberl etc. in einer oft „verlängerten“ Rindsuppe oder der Suppe aus dem Würfel.

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