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Entstehung der Pastete Teil 5

Das << Kunstprodukt >>

Die Absicht der Geschmacksmaskierung, wo ließe sie sich besser verwirklichen als mit Hilfe des totalen << Kunstproduktes>> das die Pastete darstellt. Wenn hier >> ein braver Koch deutlich zeigen kann, daß er Einbildungskraft und Urteil besitzt<<, so könne er dies im Mittelalter mehr als zu jeder anderen Zeit. Und wir können uns denken welch variantenreichen und Exotischen Geschmack damalige Köche ihren Pasteten zu verleihen trachteten. In einem der zeitgenössichen Kochbücher ist in einer Anweisung zu den >> Vexiersachse<< mit massiver Freude vermerkt; >> ... und wenn alles nach Lebensgröße und wohl gemacht wird kann man oft einen damit betrügen<<.

>> Welches mögen die Gründe für diese Freude an damaliger Perversion sein?<<, so wird in dem Buch >> Kunstgeschichte  des Backewerks<< gefragt. >> Ist es das bewusste Auf den Kopf stellen der natürlichen Ordnung? Von der romantischen Zeit an finden wir an Kirchenportalen das Motiv der verkehrten Welt. Auf den volkstümlichen Einblattholzschnitten und später Bilderbogen bis ins 19.. Jahrhundert hinein, wird alles umgekehrt. Der Ochse schlachtet den Schlächter, die Fische fliegen in der Luft, während sich Vögel im Wasser tummeln, der König geht zu Fuß und überlässt das Pferd dem Diener, das Kind füttert die Mutter mit Brei.

Vielleicht ist diese "verkehrte Welt" für den Mittelalterlichen Menschen, den die festgefügte ständische Ordnung, religiöse und weltliche Vorschriften einengten eine Art Ventil gewesen und das Vexieren der Speisen kann dazu gerechnet werden.

Wie denn auch sei. Aus der massiven Manipulation am Eigengeschmack der Speisen hat die Pastetenkunst keinen Gewinn gezogen. Zumindest nicht in geschmacklicher Hinsicht, wenn man die Maßstäbe Jahrhunderte anlegt.

Der >> Sprung<<, denn die Pasteten-Geschichte tun mußte um über so tiefe Niederungen wieder hinwegzukommen, erfolgte um das Jahr 1400 zu jenen Zeitpunkt also, da das Spätmittelalter begann und die Renaissance bevorstand. Diesen Sprung kann man mit der Formel >> Qualität statt Quantität<< kennzeichnen. Und dies keineswegs nur auf kulinarischen Gebiet! Schon Boccaccios >> Decameron<< hatte mit seinen geplanten Erzählungen einen neuen süßen Lebensstil gezeichnet, den >>dolce stile nuovo <<, der nun auf allen Gebieten mittelalterlicher Roheit zu verdrängen begann. In Italien wurde ein Buch in wahren Massenauflagen verschlungen, das einem hellwachen Publikum die Grundprinzipien der feineren Lebensart eingerichtete Castigeliones 

>> Cortegiano << ( >> Der höfliche Mann<< ) sinnierte 500 Seiten lang über den echten und wahren  >> buon gusto << , den ganzen Geschmack. Ein Schlagwort, das bald zum alles durchdringenden Mode- Motto wurde.

Wo aber war  >> buon gusto << bessser beweisbar, als bei den Tafelfreuden? Allenthalben besann man sich auf guten Geschmack. Man kleidete sich gekonnt. Die Musik  hatte nun >> dolce<< ( süß) zu sein. Statt nur starck und damit laut. Was die Erotik anging, so wurde der Umgang mit dem anderen Geschlecht zu wahren Kulten ausgeformt. Und was das Essen und hier besonders die Pasteten anging: Man besann sich auf den eigengeschmack der Speisen. Der radikalen Maskierung der Speisen des Mittelalters folgte in der Renessaince deren ebenso radikale Demaskierung.

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