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Die große Geschichte der Torten und Kuchen

....in Absicht zu den Künsten.....

Ubain Dubios,det große Pariser Küchenchef des 19. Jahrhunderts,

nannte die Konditorei eine  << Kunst voller Erinnerungen und Traditionen>>.

Das ist sie auch.

Es gibt kaum ein Gebiet des profanen Daseins- und schon gar keines

unter den Sparten der Kochkunst- welche seine Wurzeln so tief hinabreicht in die menschliche Kultur. Das Backwerk und seine Geschichte ist durchdrungen von Mythos, Zauberei, Spuk und Geisterglauben. Die Wahl des Zeitpunkts, zu dem gebacken wird, die Zutaten, welche in die Teige und Massen eingehen, die Umstände ihrer Verarbeitung, die Gebilde die man daraus formt- sei es von Hand oder Model, mit Backform oder Stempel- all die gekneteten, geflochtenen oder gemalten Verzierungen, das Ereignis der Gärung und endlich der Höhepunkt, das Backen selbst; die Rituale der Darbietung endlich, des Verzehrs, ja selbst de Umgang mit Übrigbleibseln, all das hat seinen Ursprung in der Frühgeschichte des Menschen.

In vielen Fällen wirken die Traditionen mystischer Glaubensvorstellungen, um die es sich handelt, ganz unverhohlen in unsere nur vordergründige so nüchternen Tage hinein.

Jedermann schätzt noch heute die uralten heidnischen Gebilde, all die Sterne und Monde und Brezeln, Hirsche und Hasen und alles mögliche Getier, welch magischer Mummenschanz schon den Galgen unserer Urahnen Platz hatte. Sicher, nur wenige kennen noch die ursprüngliche Bedeutung solcher Gebäcke und Formen.

Umso erstaunlicher bleibt es, daß diese Versatzstücke längst untergegangener Religionen, trotzdem fortleben.

Die archiaische Schönheit und die unbewusste Symbolkraft dieser Gebilde hat ungebrochen Macht über uns.

Noch immer diktieren die Gestirne, dikiert uralter Zauberglaube, vermischt mit Volksreligionen,was wann gebacken und verzehrt wird. Allerseelen , Allerheiligen, Advent,  Weihnachten, Lichtmeß, Fastnacht, Ostern, Johannis; die alten Rauhnächte oder Weihe - Nächte des germanischen Götterglauben lagen schon auf diesen Terminen. Die Sonnenwende die Kürzesten und längsten Nächte , Tag und Nachtgleiche, die Voll und Neumondnächte: nach solchen Ereignissen richten sich die Festzeiten unseres Kalenders noch heute und sind somit die Zeiten der Hochkonjunktur für die Konditoreien.

Vorräte für die Dunkle Zeit

Der Überwiegende Teil der Termine lieg damals wie heute im Winterhalbjahr. Das hat natürlich seine zweckgebundene Logik;

Gebäcke sind Konserven! Mehl lässt sich lagern, Früchte lassen sich trocknen. Backen macht haltbar, Kandieren und Süßen konserviert. Alle Eigenschaften die in Winterzeiten das Überleben sichern . In der dunklen Zeit des Winterjahres ereigneten sich die Ungeheuerlichkeiten aus Sagen und Märchen; Hexen, Spuk - Neck und Poltergeister, weise Frauen und Gnome, das Volk der Zwerge wie das der Riesen trieben da ihr Unwesen.

Wenn in diesen finsteren Tagen gebacken wurde, so hat das nicht nur praktischen, sondern auch einen religiösen Sinn; die bösen und guten Geister beschwören, die gestorbenen Seelen zu besänftigen und und dir Gottheit günstig zu stimmen.

Schon die Zutaten, die für die große Weihe- Nachts- Bäckerei bereitgestellt wurden, waren diesem Sinn unterworfen. Das Mehl ist das purste Lebenselixier, gewonnen aus dem Getreide, welches die letzte Frucht des Jahres ist: nach alter Überzeugung enthielt es damit die gesamten Kräfte der Natur, konzentriert und gebündelt. Und das waren nicht nur diätethische, es waren auch geistige Kräfte. Sie machten stark gegen die Geister und verbündeten den, der sie aß, mit den Gewalten der Erde und des Himmels, die in ihnen versammelt waren.. Die Kraft konnte aber noch gesteigert werden, wenn man den Teig um weitere in ihrer Wirkung und Eigenschaften ähnliche Zutaten ergänzte. Die gedörrten Herbstfrüchte zum Beispiel Nüsse und Pflaumen , Weinbeeren, Äpfel und Birnen enthalten ähnliche Kräfte wie das Mehl. Einen Teig mit diesen Früchten zu versetzen bedeutete eine Steigerung seines Zaubers. Auf diese Weise sind dann wohl die Kuchen entstanden, die bis heute als Hutzelbrot, Kletzenbrot oder auch Christstollen  verbreitet sind. 

Zucker war freilich unbekannt. Das wichtigste Mittel zum Süßen war neben dem Dörrobst der Honig. Doch auch diese Viktuale war Göttertrank, Glücksbringer , Fruchtbarkeitsträger. Der Honig oder Lebkuchen beweist es in seiner Form noch heute, daß er eines  der ältesten Gebäcke der Menschheitsgeschichte darstellt. Seine Form ist die des Fladens, die für Lebkuchen geradezu buchstäblich ist: Die Silbe >> Leb<< leitet sich vom Lateinischen >> Libum << ab, was >> Fladen << >> flacher Küchen bedeutet.

Das erinnert an die Tage, als Treibmittel für Teige noch weitgehend unbekannt waren, als Teige sich noch nicht vom Getreidebrei unterschieden, der im Ofen gehärtet wurde. Von dieser Abbildung der Ägypter an ist diese Form des Fladens als Urform der Brote und Kuchen bekannt.

 

Zahlenmythos und Fruchtbarkeitskriterien

Nach mythischer Überzeugung übertragen sich die Eigenschaften einer Speise auf den, der sie verzehrt.

Wünschte man Potenz, so genügte es die Hoden eines Stieres zu verzehren, dem das begehrte Vermögen zugeschrieben war.

Den Kuchenteigen Samen zuzusetzen verschaffte Fruchtbarkeit, auf die damals fast alles ankam. Anis-, Fenchel-, Koriandersamen, auch heute sind viele Kuchen mit ihnen versetzt, man denke an die Weihnachtsgebäcke.

Der Butter waren von Anfang an besonders starke magische Kräfte zu eigen. Mißlang die Herstellung so war dies ein Vorzeichen unausbleiblichen Unglücks . Übermütiger Umgang mit ihr führte  in zahlreichen Sagen ( zum Beispiel aus Tirol) zu heimischen Katastrophen, zu Unwetter, Pest und siebenjährigen Mißwuchs.

Am besten war, man kombinierte alle >> Elemente<< des Zauberkundigen Küchen ein mal eins. Mehl, Butter her, gedörrte Früchte hinein, Honig dazu, Mohn , eine Portion Branntwein kann nichts schaden, denn der war ebenfalls wundertätig. Das Resultat, welches in Tirol und anderen Alpengebieten noch als>> Butterstrutzen << bekannt ist, ähnelt aber auch dem  englichen Weihnachtskuchen, dem keltschstämmigen Plumpuddings oder Mincrepies.

Waren die sieben Sachen beisammen , die damals wie heute zum Kuchenbacken notwendig sind , so begann die Verarbeitung des Teiges. Auch hier blieb nichts dem Zufall überlassen. In England rührt beispielsweise die traditionsbewusste Familie heute noch den Teig für die Weihnachtsbäckerei von Hand. Sie tut dies im Uhrzeigersinn, als der Richtung , in welcher die Gestirne um die Erde kreisen. Diese Regel , die übrigens in modernsten Konditorei- Handbüchern wieder aufgetaucht, war ursprünglich mit abergläubischen Vorstellungen verknüpft.

Die Kuchen aber, der von soviel Zauberkraft durchdrungen war, war selbstredend Gegenstand der denkbarsten Ehrfurcht,

ja Angst. Noch der Humanist Erasmus von Rotterdam schreibt vor, auf dem Boden gefallenes Brot zu küssen. Eine wahrhafte Katastrophe war es, wenn einmal ein Teig nicht aufging; das bedeutete Unheil. Besonderes Augenmerk ist beim Kuchenverzehr genauem Zählen zuzumessen. Die Sieben und die Neun, diese Exponentender alchimistischen Zahlenmysthik sind von ungeheurem Einfluß. >> Wer will einen Kuchen backen der muß haben sieben Sachen<<. Neunerlei Krapfen soll man in Tirol zur Sonnwendfeier, neunerlei Kletzenbrot zu Weihnachten essen. Denn >> wer neunerlei Kletzenbrot isst wird nächstes Jahr

heiraten <<.ebendem der >>neunerlei Kletzenbrot<< wird man im Ötschergebiet bärenstark, daß man neun (!) Fuder Heu bergauf rechen kann.

Das Anschneiden der Kuchen ist eine Zeremonie deren Details minutiös geregelt sind. Selbst das Schärfen der Messer unterliegt einem exakt vorgeschriebenen Ritual.

Andere Gebäcke, so der alpenländische >> Osterfleck << dürfen nur gebrochen werden, welches Privileg nur dem Familienoberhaupt zusteht.

Weit verbreitet ist in  allen Zeiten und Regionen der Brauch vom Gebackenenden armen Seelen abzutreten.

Bis heute ist in Alpenländern der Glaube verbreitet, daß in der Allerseelennacht die Toten in ihren alten Lebenskreis zurückkehrten. Deshalb stellt man Milch und Krapfen bereit welche man >> Totenlaibe << oder >> Zehrungslaibe << heißt. Ähnliches gibt es in Sizilien und in England findet der Brauch der Totenzehrung in der Weihnacht statt. von Kuchen, die als Wegzehrung

Der Glaube, daß die Toten nach ihrer Bestattung fortfahren in das Alltagsieben hineinzuwirken, und daß sie periodisch leiblich wieder erscheinen, ist seit uralter Zeit mit dem Gebäcken verbunden. In den Pyramiden der Ägypter fanden sich Unmengen von Kuchen, die als Wegzehrung der Toten Pharaonen auf Ihrer Reise vom Tal der Könige in die himmlischen Speisefelder gedacht waren. Es wird behauptet, dass hier die Geburtsstunde der Kuchen überhaupt geschlagen hätte; die Idee einen Getreidebrei zu backen hat womöglich dem Zweck gedient, die Speise für die lange Jenseitsreise haltbar zu machen.

Die Verwendung von Kuchen im Totenkult steht aber fast noch zurück hinter einem weiteren, noch bedeutenderen Motivkreis, dem der Fruchtbarkeit. Dass die Kuchen einen so hervorragenden Platz unter unter den Fruchtbarkeitsriten einnehmen, liegt wohl auch an dem faszinierendsten Vorgang bei ihrer Herstellung: dem Aufgehen und der Gährung des Teiges.

Die Wallung eines Hefeteiges ist ja in der Tat ein Geschehen, das kaum etwas von seiner ursprünglichen Dramatik eingebüßt hat.

Das faszinierente Sich- Wölben erscheint wie von unsichtbarer Kraft getrieben; Blasen entstehen, deren Herkunft unerklärlich scheint und ein unverwechselbarer intensiver Gärungsgeruchbreitet sich aus. Von jeher hat das Aufgehen des Teiges Assoziationen mit Schwangerschaft und Geburt ausgelöst. Der Teig ist heilig, er ist eine Metapher der Mutter. >> der Backofen << lautet ein russisches Sprichwort >> ist die Mutter << .

Die Symbolik der Fruchtbarkeitsgebäcke reicht aber viel weiter. Sie ist Teileiner Ordnung, die das Werden und Gedeihen, die Vegetation, das kosmische Ganze mit einschließt.

Ein Fruchtbarkeitssymbol war so auch der Mond, der heute unter den Weihnachtsgebäcken eine ebensolche Schlüsselstellung einnimmt, wie Kipferl und Hörnchen im Gebiet der profanen Frühstücksbrötchen.

Denn der Mond war das Gestirn das die Vegetationsperioden am Himmel skandierte: Frühling , Sommer, Herbst und Winter, das Wachstum und das Gedeihen. In der Antike  waren Mondförmige Gebäcke Symbole der vielbrüstigen Göttin Artemis, Schützerin der unkeuschen Liebe und der Geburt.

Zu den Fruchtbarkeitssymbolen der Vorzeit gehörten vielfach auch Gebäcke  in der Form anderer Gestirne, zum Beispiel der Sonne, welche in der Form des Rades ebenso verkörpert ist, wie in der des Kreuzes, das symbolisch für die Vierteilung der Jahreszeiten stand. 

Gebäckformen solcher Art erinnerten an Werden und Vergehen, Geburt und Tod, an den ewigen Kreislauf und an die immerwährende Wederkehr, die man als Gesetze des Daseins erkannte

Eine hochinteressante Verkörperung dieser Gesetze ist auch die des Zopfgebäcks.

Es scheint seit früher Zeit die Darstellung der universalen Einheit des Alls gewesen zu sein. Zopfgebäcke sind mit ihren verschlungenen Formen sexuelle Symbole par excellence.  Zugleich aber bedeutet der Zopf, bedeutet die Tätigkeit des Flechtens, des Ineinanderschlingens, in sinnfälliger Weise die Alleinheit und das geheimnisvolle Gefüge von Kuriositäten als welche das Dasein erschien - und erscheint. Aus Teig einen Zopf zu flechten muss wohl bedeutet haben, mit der unentwirrbaren fülle der Merkwürdigkeiten und der Wunder des Lebens und der Lebensgeister zu verbünden. Diese Tätigkeit hielt daher genauso böse Kräfte ab, wie etwa auch die verschlungenen Formen des orientalischen Schwerttanzes. Das Zopfmotiv durchzieht die Kunstgeschichte des Abendlandes, es hat seinen nachgewiesenen magischen Ort etwa auch an den gewundenen Ornamenten der romanischen Kathedralen. Die Gebäcke aber scheinen unter den heiligsten der heidnischen Symbole einen ganz besonderen Platz eingenommen zu haben. 

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