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Unter dem Christentum Ora et labora!

Ein Traum von Vernunft

Seit dem Übertritt des Frankenkönigs Chlodwig zum christlichen Glauben ( um 500 ) wurden mehr und mehr Klöster gegründet, die die Zentralstellen für die Missionierung der verschiedenen germanistischen Stämme und darüber hinaus richtungsweisend für alle Bereiche des Lebens werden sollten.

Das Kloster St. Gallen wurde von Gallus einem iroschottischen Missionar , um 720 gegründet, der Angelsachse Bonifatius wurde von Papst Gregor III. 722 zum Missionsbischof  geweiht, der wieder 744 das Kloster Fulda gründete. Doch war die Missionierung nicht leicht, teilweise wurden die in ihrem Stolz und germanischem Glauben fest verwurzelten Volksstämme mit  Gewalt in die neuen Kirchen gebracht. Viel  Brauchtum fiel der Zerstörung anheim, wogegen sich die Betroffenen verständlicherweise wehrten. So griff man, vom Papst in Rom dazu ermuntert, zu einer List, um die alte Religion der Germanen zu unterlaufen. Die Produkte der Klösterlichen Backstuben sind ein exponiertes Beispiel dafür.

Die Klöster und Lehrmeister

Die neuen Religion war für das mittlere Europa eine Importware, nach der eigentlich niemand verlangte. Die Missionare mußten folglich die alte Religion übertrumpfen. Daß die neuerrichteten Klöster vielleicht zu den wesentlichsten Pionieren des Backens wurden, erklärt sich so. Hier wurden die gleichen Kuchen und Brote gebacken wie bei den Einheimischen von jeher, aber sie waren besser! Im Kloster St. Gallen wurden Brezeln, Biskuits, Lebkuchen, Oblaten und Zwieback hergestellt, andere Klöster sind noch heute für ihre Spezialitäten berühmt, die den Konsumenten der Jetztzeit genauso in Verzückungszustände versetzen, wie dem staunenden Germanen von vor zwölfhundert Jahren.

 Speck, Butter, Eier, Honig, und Obsttorten verbesserten die Feingebäcke aus der mustergültigen Backstube des Bruders Klosterkoch.

Aber nicht nur die Qualität, auch die äußere Erscheinungsform der Klostergebäcke konnte ihren  Eindruck nicht verfehlen.

Unbemerkt waren aus den gebackenen Nachbildungen der alten Götter und Geister nun die Heiligen der christlichen Kirche geworden. Unbemerkt: denn in vielen Fällen schien der unterschied zwischen den alten Göttern und den neuen Heiligen kaum ins Gewicht zu fallen.

Statt Freya oder Fricka verehrte man Maria und statt Wocan Christus. Hingegen fiel auf, daß die neuen >> Götter << wesentlich prächtiger Art zu sein schienen. Die Ginger- Bread- Gebilde, die in der englischen Klöstern nun zu sehen waren, waren vergoldet!

Die Kuchen- Kunst der Klosterbackstube bot Möglichkeiten der Überredung, die vorher unausdenkbar gewesen waren. Hier  ist der Ort , auf die Technik des Teig -Modelns zu sprechen zu kommen, welche in den Backstuben des Mittelalters entwickelt wurde.

Mit Modeln ließen sich nicht nur die plump von Hand geformten und ungeschlacht ornamentierten Gebäcke der Heiden feiner ausarbeiten..

Model erlaubte auch, die Aufmerksamkeit  auf Einzelheiten des Glaubens zu lenken, für die sich sonst so leicht keiner interessiert hätte. 

Model - Bilderbuch biblischer Geschichte

Die bibelhaften Gleichnisse des neuen Herrn, seine Taten und die Umstände seines Lebens , die Legenden der Heiligen, die Exempla der Kirchenväter, die entscheidenden Stellen des Evangeliums, nichts war ungeeignet, um nicht in Kuchen hineingemodelt zu werden. Szenen wie das Geschehen der Christmacht, in welches der vormalige Weihe- Nacht der Wintersonnenwendemühelos umfunktioniert wurde, Kreuzgang und Kreuzabnahme, die glorreiche Auferstehung waren Schlager der Klosterbäckerei und sind in einer ungeheuren Anzahl mittelalterlicher Model enthalten.

Die Präzision welche mit Models erziehbar war, war Gebot einer differenzierteren rethorischen Bildersprache, wie sie das Christentum für seine Zwecke benötigte.

Ein hervorragendes Symbol des neuen Glaubens war zum Beispiel das Rotkehlchen. Ein kleiner Vogel dessen Brust durch Berührung mit dem Blut des gekreuzigten rot gefärbt hatte.

Eine solche Darstellung war eine Herausforderung an die Kunstfertigkeit der sich die Konditoren von damals gewachsen zeigten.

Kein Schießbudenbesitzer kommt heute ohne die reichverzierten und beschrifteten Lebkuchenherzen aus, die sich in direkter Tradition aus der christlichen Bildersprache herleiten. Die mittelalterliche Model, welche das Herz zum Gegenstand haben sind von ungeheurer Zahl. Sie sind Teil einer Ikonographie welche von damals an die gesamte Bildersprache der abendländischen Literatur, Malerei und Plastik zu beherrschen begann. Das Herz; das unersetzbarste, folglich kostbarste Organ des Lebens.

Daß immer wieder das Herz, meist das durchbohrte Herz, Gegenstand der Model ist, hängt eng mit dem Charakter der Religion und überhaupt des Zeitalters zusammen, in dessen Zusammenhang es stand. Die Model zeigten das Dulden und sie zeigten auch Belohnung für ausgestandene Leiden ist verschönt, überhöht, verklärt. Dies war eine neue Daseinskonzeption. Eine Daseinskonzeption, die Disziplin und Einschränkung verlangte, die aber gleichzeitig ein besseres Leben versprach: ein Leben weniger abhängig von den Gewalten der Natur, kein Hunger mehr, weniger Krankheit, größere Sicherheit , Wohlstand für alle.

 Die Köster wollen Vorbild sein einer neuformierten , besser organisierten, effizienteren Wirtschaftsform, die zugleich eine gesellschaftliche Utopie darstellte. Und wirklich exerzierten die Mönche der mittelalterlichen gesellschaft vor, wie sie sich das neue Dasein dachten. Vorher war die Produktion von bäuerlichen und landwirtschaftlichen Produkten ungetrennt, jeder machte alles was ein gutes Lebensgefühl, aber vergleichsweise geringe Effizienz ergab. 

In den Klöstern hingegen war die Produktion aufgeteilt in verschiedene Gewerbe, welche jeweils einer straffen Organisationsform auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse unterlagen. Dies war das Modell der gewerbsmäßigen und zukunftsmäßigen Herstellung, das sich zu einem Grundschema der mittelalterlichen Wirtschaft entwickelte, ein Jahrtausend lang bestimmend warund auf weiteren Gebieten bis heute fortexestiert.

Alle Handwerke erfuhren durch dieses Schema einen traumhaften Antrieb und Aufschwung.

Unter den hervorragenden Beispielen findet sich das Back und Konditoreiwesen. Plötzlich wirkte da eine ganze Reihe von Spezialisten zusammen, neue Berufe, die es vorher nicht gegeben hatte ; Müller, Bäcker, Zeidler, 1652 wurden soga Lebküchler zu einem Berufsstand für sich. Jeder besaß ein hochentwickeltes, handwerkliches Organon wie es von den Klöstern entwickelt worden war. Die Hochrangigkeit der Produkte , die dabei erzielt wurde, mußte schließlich überzeugen.

Das Zunftwesen welches zum wirtschaftlichen und gesellchaftlichen Grundschema der neuen Zeit avancierte ist vom Vorbild der Klöster auf die provane Lebenswelt übertragen worden.

Fastengebote

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