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Jerusalem

Einführung

 

Eines unserer Lieblingsrezepte in diesen Beitrag, ein einfacher Cous cous mit Tomate und Zwiebel,  basiert auf einem Gericht das Samis Mutter Na*ama ihm im muslimischen Ostjerusalem kochte, als er klein war. Etwa zur gleichen Zeit bereitete Yotams Vater Michael im jüdischen Westteil der Stadt ein ganz ähnliches Gericht zu. Anstelle von Cous cous verwendeteder Italiener Michael jedoch Pütim, kleine Pastakugeln. Die Variante schmeckt so herrlich wie die andere. Ein ganz ähnliches Gericht wie das von Michael gibt es in der Küche der Libyschen Juden: Es heißt Shorba und spiegelt deutlich die Zeit der italienischen Besatzung in Libyen im frühen 20 Jahrhundert wider. Michaels Pütim war also möglicherweise von der libyschen Küche in Jerualem beeinflusst,

die ihrerseits auch wieder italienische Spuren aufweist. und das Sahnehäubchen auf diesen interkulturellen Kuchen; Michaels Großonkel Aldo Ascoli war Admiral der italienischen Marine, die 1911 in Tripolis einfiel und Libyen besetzte.

Das ist Jerusalem: persönliche Geschichte eingebettet in große Traditionen, die sich auf verschlungen Wegen miteinander verbinden und so zu Allgemeingut werden. Und eine ähnlich verwickelte Entstehungsgeschichte haben viele Gerichte.

Dieser Beitrag stammt aus einem Buch, welches die Reise zweier Menschen  durch die kulinarische Welt Jerusalems ist und sie sind ein Teil der Odysee. Sie sind beide in dieser Stadt aufgewachsen, der eine im muslimischen Ostteil, der andere im jüdischen Westen, und sind sich doch nie begegnet. Sie verbrachten hier in den 1970er und 1980er Jahren ihre Kindheit und Jugend und verließen die Stadt in den 1990er Jahren zu erst in Richtung Tel Aviv und dann ging es nach London. Erst dort lernten se sich kennen und endeckten die Parallelen in ihren Biographien. Sie , wurden gute Freunde und später Geschäftspartner.

Obwohl sie oft über ihre Heimatstadt Jerusalem sprachen, kreisten ihre Gespräche kaum um die Küche der Stadt.

Erst vor kurzem haben sie begonnen sich auf Gerichte ihrer Kindheit und in vergessene Leckerbissenzu besinnen.

Hummus, das Kichererbsen Pürree, vorher kaum jemals ein Thema für sie , entwickelte sich zur gemeinsamen Leidenschaft.

Es ist über 20 Jahre her, das die beiden die Stadt verlassen haben- eine lange Zeit, länger als die Jahre die sie dort verbracht haben.

Dennoch ist Jerusalem ihre Heimat geblieben, wenn auch nicht im Sinne eines Ortes, an den man ständig lebt oder an den man immer wieder zurückkehrt. Tatsächlich ist Jerusalem für sie beinahe so etwas wie eine Heimat wider Willen. Die Stadt ist ihre Heimat weil sie durch sie geprägt wurden, ob ihnen  das gefällt oder nicht.

Der Geschmack und die Gerüche sind gewissermaßen ihre Muttersprache. Den obwohl sie inzwischen andere, komplexere Sprachen erlernt haben ist sie nach wie vor selbst in ihren Träumen präsent. Sie verbinden damit Wohlbehagen, Begeisterung, Freude und Glückseligkeit. Alles was sie essen, alles was sie kochen, wird durch das Prisma ihrer Kindheitserlebnisse gefiltert, Speisen die ihre Mütter für sie zubereiteten, Wildkräuter die sie auf ihren Schulausflügen pflückten, Tage, die sie auf den Markt verbrachten, der geruch der ausgedörrten Erde an einem Sommertag, Ziegen und Schafe, die auf den Hügeln weideten, frische Pita mit Lamm gehackte Petersilie, gehackte Leber, Feigen, sirupgetränkte Kuchen,krümelige Kekse...... Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. In der Regel sind sie sich dieser prägung gar nicht bewusst. Sie kochen ind essen einfach und verlassen sich dabei auf ihr gespür für das was ihnen richtig erscheint, was appetitlich aussiehtund ihnen schmeckt.

In diesem Buch  ( Jerusalem) möchte sie den Lesern einen kulinarischen Schatz heben und dabei gleichzeitig ihre eigene kulinarische DNA entschlüsseln, indem sie die Spurensuche in der Stadt gehen die sie so sehr geprägt hat.

Dies ist also auch eine nostalgische Reise in ihre eigene Vergangenheit, eine Suche nach den wundervollen Geschmackserlebnissen ihrer Kindheit. Sie möchten essen, kochen und sich vom Reichtum einer Stadt inspirieren lassen, die auf eine wechselvolle 4000 Jährige  Geschichtezurückblicken kann, die heute als Zentrum dreier großer Religionen gilt und in der Menschen so unterschiedlicher Herkunft leben, das sie Babel in den Schatten stellt.

Jerusalem Kulinarisch

 

Gibt es überhaupt so etwas wie eine typische Jerusalemer Küche?

Schließlich muss man bedenken, dass es in dieser Stadt griechsch-orthodoxe Mönche, russisch-orthodoxe Priester, chassidische Juden aus Polen, nicht orthodoxe Juden aus Tunesien, Libyen, Frankreich und England gibt, sephardische Juden die hier seit Generationen hier Leben, palästinensische Muslime von der West Bank und viele andere, darunter liberale aschkenasische Juden aus Rumänien, Deutschland und Litauen und seit Kurzem auch Sephardim aus Marokko, dem Irak, dem Iran und der Türkei, aber auch christliche Juden sowie äthiopische Kopten, Juden aus Argentinien und Südindien, russische Nonnen und ein ganzes Viertel, in dem ausschließlich Juden aus Uspekistan leben.

 

Sei alle und viele, viele andere haben ein buntes kulinarisches Mosaik geschaffen. Es ist unmöglich alle Kulturen und Gruppen aufzuzählen, die diese Stadt bevölkern , denn Jerusalem ist ein unübersichtliches Völkergemisch. 

Man könnte also annehmen, so etwas wie eine typische Jerusalemer Küche exestiere gar nicht.

Und tatsächlich: Geht man in das ultraorthodoxe Viertel Me´ah She´arim und vergleicht die Gerichte, die dort angeboten werden, mit denen, die eine palästinensische Mutter in A- tur im Osten der Stadt für ihre Kinder zubereitet, drändt sich der Eindruck auf, man habe es mit zwei vollkommen verschiedenen kulinarischen  Welten zu tun.

 

Tritt man jedoch einen schritt zurück und sieht sich das Gesamtbild an, entdeckt man viele Gemeinsamkeiten.

Einen Salat aus gehackten Gurken und Tomaten, der je nach Perspektive arabischer oder israelischer Salat genannt wird, bereitet hier ohne Ausnahme jeder zu. Auf allen Tischen findet sich gefülltes Gemüse mit Reis oder Reis und Fleisch, ebenso eingelegtes Gemüse. Olivenöl, Zitronensaft und Oliven werden ebenfalls überall reichlich verwendet. Und auch mit Käse gefülltes Gebäck schätzt man in den meisten Kulturen.

 

Daneben gibt es Gerichte und Zutaten die nicht in allen, sondern nur in einigen Küchen zu Hause sind, etwa mit Fleisch gefüllte Bulgur- oder Grießklöse (Kubbeh), Auberginenpürree, Suppen aus weißen oder die Kombination von Fleisch und Trockenfrüchten. Dochirgendwann werden auch diese kulinarischen Traditionen zum Allgemeingut und verbinden sich zu der einen typischen Jerusalem Küche.

 

Davon abgesehen gibt es typische lokale Zutaten. Die Menschen in Jerusalem leben mit den Jahreszeiten und ernähren sich weitgehend von regionale Erzeugissen. Die Liste ist lang und reicht von Gemüse, wie Tomaten, Okraschoten, Gurken, Sellerie, Kohlrabi,Zucchini und Auberginen über Früchte wie Feigen, Zitronen, Pfirsiche, Birnen, Erdbeeren, Granatäpfel, Pflaumen und Aprikosen bis zu Kräutern, Nüssen, Milchprodukten, Getreide und Hülsenfrüchten - außerdem natürlich auch Lamm und Geflügel.

Mit Liebe und Leidenschaft

 

Wie die Stadt für Fremde so faszinierend macht, sind die Vielfalt und der Kulturelle Reichtum und der Kulturelle Reichtum Jerusalems. Das gilt nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Küche, auf ihre unterschiedlichen Wurzeln, ihre jeweils besondern Zutaten. Davon einmal ganz abgesehen, kann sich wohl kein Besucher den starken Emotionen und der Spiritualität entziehen, die hier überall spürbar sind.

 

Viertausend Jahre erbitteter politischer und religiöser Konflikt (zudem kommen wir etwas später) haben zwangsläufig  ihre Spuren hinterlassen. Wo immer man hingeht - in die Jüdischen Vierteln im Zentrum oder in die historische Altstadt - kämpfen die Menschen  verbissen darum, das, was sie als ihr Territorium betrachten, als ihre gefährdete Kultur oder ihr Recht auf einen bestimmten Lebensstil zu schützen und bewahren - ein Kampf der nicht selten unschöne Züge annimmt. Intoleranz und die Missachtung der Grundrechte anderer sind hier an der Tagesordnung. Gegenwärtig hat darunter die palästinensische Minderheit zu leiden, aber auch die liberalen Juden werden durch eine wachsende orthodoxe Bevölkerung mehr und mehr an den Rand gedrängt.

 

Leidenschaft und Energie, die die Menschen in Jerusalem im Übermaß besitzen, finden immer wiederr auch Niederschlag in fantastischen Speisen und einer außergewöhnlichen kulinarsichen Kreativität. Hier gibt es nicht nur ds beste Hummus ( drüber wo es am allerbesten ist, liefern sich mitunter Einheimischen mitunter die heftigsten Diskussionen), dessen Zubereitung über Generationenperfektioniert wurde, sondern auch einige der kreativsten modernen Restaurants des Landes. Leidenschaft und Energie spiegeln sich auch im Geschmack der Speisen, der sich häufig durch eine besondere Intensität mit viel Säure und Süße auszeichnet. So hat etwa das palästinensische Hummus, genau wie die Suppen, die freitagsabends bei den Sephardim auf den Tisch kommen stets eine gewisse Schärfe.

 

Was Juden wie Araber gleichermaßen auszeichnet, ist eine mitunter überwältigende Herzlichkeit und Großzügigkeit. Gästen werden stets Berge von Essen aufgetischt. Es wird an nichts gespart. >>Essen sie doch noch etwas<< ist eine gängige Aufforderung. Und es wäre undenkbar, das was man serviert bekommt , zurückzuweisen. Wenn man das Restaurant eines Freundes oder das des Freundes eines Freundes besucht, wird niemand von ihnen erwarten, dass sie ihre Zeche bezahlen. Es ist eine Kombination aus der berühmten orientalischen Gastfreundschaft, die in die Zeit Abrahams zurückreicht und der Angewohnheit von Juden zu Arabern. Gäste und Verwandte stets mit Leckerbissen zu überschütten damit sie nicht etwa >>hungrig nach Hause gehen<<.

 

Leider scheint trotz dieser vielen Gemeinsamkeiten das Essen derzeit das Einzige zu sein, was die Menschen in dieser extrem gespaltenen Stadt eint. Denn ein Dialog zwischen Juden und Arabern findet praktisch nicht statt. Es ist traurig , feststellen zu müssen, wie wenig sich die Gemeinden im Alltag austauschen und wie sehr die Menschen dazu neigen, in ihren geschlossenen homogenen Gruppen zu verharren, wobei ich anmerken muss das dieses Muster auch hier in Wien so ähnlich abläuft.

Das Essen so scheint es , vermag es gelegendlich die Grenzen niederzureißen. Man kann beobachten, dass Menschen aus unterschiedlichen Kulturen auf den selben Märkten einkaufen oder dieselben Restaurants besuchen. Manchmal stehen sie darin sogar zusammen am Herd. Trotzdem : Hier ist noch eine riesige Hürde zu überwinden. Wir arbeiten daran . Vieleicht wird ja eines Tages das Hummus die Menschen in Jerusalem zusammenbringen.


Unsere Rezeptauswahl

Unter den Rezepten die sie für dieses Buch ausgewählt haben, finden sich neben traditionellen Gerichten, die vollkommen unverändert geblieben sind , auch einige Klassiker, bei denen sie sich die Freiheit genommen  haben, sie der heutigen Zeit und uneren Geschmack anzupassen. Und schließlich gibt es Gerichte, die lediglich von der Jerusalemer Küche inspiriert sind - Speisen die ohne Weiteres auf vielen Tischen der Stadt serviert  werden können und die vielleicht  eines Tages zu Klassiker werden.

 

Weder wolle sie uns hier einen vollständigen Überblick sämtlicher Gerichte der Jerusalemer Küche geben, noch alle Spezialitäten der verschiedenen Kulturen präsentieren. An diesen Anspruch müssten sie scheitern. Kluge Menschen haben die jüdische und die arabische Küche eingehend erforscht und ausführlich dokumentiert. 

Auch über die Küchen anderer in der Stadt beheimateter Ethnien wurde bereits geschrieben. ( Darüber werde ich auch noch einen Beitrag schereiben. ) Deshalb haben sie einiges nicht berücksichtigt. Einige typische lokale Gerichte wie den Kugel (einem langsam gegarten Nudelauflauf), Bagels, ( arabisch oder jüdisch ) , Pashtida ( eine Art Quiche ), Pastelikos ( kleine sephardische Fleischpasteten), Tschulent oder Chamin ( einen jüdischen Sabbateintopf ), Strudel Challa ( Süsses Sabbatbrot ) werden wir hier nicht finden. Vor allem die aschkenasisch- jüdische Küche ist unterrepräsentiert. Das ist ihrem persönlichen hintergrund und ihrem geschmacklichen Vorlieben geschuldet.

Kulinarische Eigentumsrechte

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